Einführung: Messe und Vesper - 2015

Ich schwöre Ihnen bey meiner Ehre, dass ich Salzburg und ihre Einwohner nicht leiden kann; mir ist ihre Sprache, ihre Lebensart ganz unerträglich. Salzburg ist kein Ort für mein Talent.“

Mozart war nicht glücklich in Salzburg. Er muss diese Zeit als absoluten Tiefpunkt in seiner bisherigen Karriere empfunden haben, denn er hatte notgedrungen Anfang 1779 die Stelle des Hoforganisten beim Erzbischof Graf Colloredo annehmen müssen. Zu seinen Aufgaben gehörte es, Musik für die sonntäglichen Messen und abendlichen Vespern zu komponieren. Während dieser Zeit entstand 1779 die Messe C-Dur, die später als Krönungsmesse bekannt wurde, und 1780 die Vesperae solennes de confessore KV 339. Von Mozarts vielfältigem Verdruss ist seiner Musik jedoch nichts anzumerken.

Was Mozart besonders ärgerte war, dass ihm die Mitwirkung an lukrativen Konzerten in Wien nicht gestattet war. 20 Monate dauerte diese erneute Salzburger Anstellung, bevor es zum Eklat mit dem Erzbischof und Mozarts endgültiger Kündigung und Abreise nach Wien kam.

Im heutigen Konzert werden zwei Messvertonungen – also Musik für die sonntägliche Messe – einer Vesper, einem musikalisch vertonten Abendgebet gegenübergestellt. Eine musikalische Vesper besteht in der Regel aus der Vertonung von fünf Psalmen und dem Magnificat. Mozart hält sich genau an diese Regel und zeigt überdies in den einzelnen Sätzen die meisterhafte Beherrschung der verschiedensten musikalischen Stilrichtungen. Im einleitenden „Dixit Dominus“ und im abschließenden „Magnificat“ erklingen strahlende Trompeten und Pauken, während das „Laudate Pueri“ ganz streng polyphon „in stile antico“ durchkomponiert ist. Weltberühmt geworden ist der vorletzte Teil der Vesper, das Sopransolo „Laudate Dominum“, bei dem die Sopranistin engelsgleich über dem Orchester dahinschwebt.

Oft wird gefragt, zu welcher Krönung denn die Messe C-Dur KV 317 komponiert worden sei. Tatsache ist, dass der Name Krönungsmesse nicht von Mozart stammt, sondern erst seit dem Jahr 1873 schriftlich nachweisbar ist. Dank ihres festlichen Charakters dürfte sie wohl immer wieder bei Kaiserkrönungen verwendet worden sein und so den Namen erhalten haben. Zum ersten Mal erklang sie möglicherweise 1792 bei der Krönung von Kaiser Franz II.

Der berühmteste Satz der Messe ist das „Agnus Dei“, dessen Thema Mozart später in der „Dove sono“ Arie der Gräfin Almaviva in „Le nozze de Figaro“ wieder verwendet hat.

Der Kontrast von Mozarts Krönungsmesse zu Arvo Pärts Berliner Messe könnte größer nicht sein. Mozart komponierte seine Messen wirklich ausschließlich für den kirchlichen Gebrauch.

Arvo Pärt, dessen 80. Geburtstag im September 2015 gefeiert wurde, ging einen ganz anderen Weg. Wie kaum einem anderen zeitgenössischen Komponisten ist es dem aus Estland stammenden Komponisten gelungen, geistliche Musik auch außerhalb von Gottesdiensten wieder ins Bewusstsein einer größeren Zuhörerschaft zu rücken.

Pärt studierte zunächst in Tallin/Estland und später in Moskau Komposition. Beeinflusst von Arnold Schönberg entstanden zunächst Kompositionen in Zwölftontechnik und später in Collagetechniken, bei denen er Klangmaterial anderer Komponisten verwendete.

Seine bedeutendste Komposition in Collage-Technik war 1968 sein Credo, das zu einem Kulturskandal wurde, weil er sich damit in der atheistisch geprägten Sowjetunion öffentlich zum christlichen Glauben bekannte. Zudem trat er auch noch offiziell der Orthodoxen Kirche bei. Das war eine Kampfansage. Fortan wurde er in der Sowjetunion geächtet. Fast acht Jahre lang verstummte er. Aus dieser Krise heraus fand er zu seiner eigenen neuen, sehr konzentrierten neuen Musiksprache, die er selbst "Tintinnabuli"-Stil nannte. Tintinnabuli bedeutet Glöckchen. Pärt erklärt seine Musik so: „Alles Unwichtige fällt weg. Ich habe entdeckt, dass es genügt, wenn ein einziger Ton schön gespielt wird. Dieser eine Ton, die Stille oder das Schweigen beruhigen mich. Ich arbeite mit wenig Material, mit einer Stimme, mit zwei Stimmen. Ich baue aus primitivstem Stoff, aus einem Dreiklang, einer bestimmten Tonalität. Die drei Klänge eines Dreiklangs wirken glockenähnlich. So habe ich es Tintinnabuli genannt.“  

Als der Druck auf Pärt zu groß wurde, verließ er die Sowjetunion, emigrierte zunächst nach Österreich und ging 1980 nach Berlin, wo er 30 Jahre lang lebte.

Aus dieser Zeit stammt seine Berliner Messe, die er im Auftrag des 90. Deutschen Katholikentags 1990 in Berlin komponierte. Zunächst war das Werk für vier Vokalsolisten und Orgel konzipiert, wurde aber wie viele seiner Werke von Pärt mehrfach überarbeitet.

Arvo Pärt lebt heute wieder in Estland.

Dagmar Scherschmidt

 

 

 

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